„Alan Bennett“ – Mechthild Großmann sagt nur zwei Worte zum Auftakt ihrer Lesung im Forum der VHS am Freitagabend. Keine Begrüßung, nur der Name des britischen Schriftstellers, aus dessen unerschöpflichen Fundus sie zwei Monologe vorstellen wird. Zwei Worte, die ihr „Markenzeichen“ ausdrucksvoll unterstreichen: die tiefe sonore Stimme, eine gute Oktave unter der einer durchschnittlichen Frau. Großmann, Jahrgang 1948, ist bekannt, die Veranstaltung restlos ausverkauft, ein Erfolg für die Organisatoren der Stadtbibliothek und dem Cornelia-Funke-Baumhaus. „Tickets für die „Staatsanwältin aus dem Tatort“ wollten viele im Vorfeld erwerben – das ist Großmanns Fluch und Segen. Die großartige Künstlerin, fast 50 Jahre intensives Schaffen auf Theater- und Tanzbühnen im Curriculum, wird vom Großteil des Publikums mit ihrer Nebenrolle im Fernsehen identifiziert. „Da lernt man ein Leben lang Tausende Seiten auswendig und erregt Aufsehen, wenn man sagt: ,Gute Arbeit, Thiel‘“ – Aber es füllt Säle, gibt Mechthild Großmann die Möglichkeit, ihre persönliche Auswahl an Autoren und Themen unter die Menschen zu bringen. Eine bedrückende Geschichte von Einsamkeit und Verbitterung macht den Anfang. „Die Frau mit Füllfederhalter“, das ist Mrs. Ruddock, nicht definiertes Alter, aber klar umrissene Eigenschaften – neugierig, doch empathielos, Pedantin, Besserwisserin – kurz eine Misanthropin durch und durch. Plastisch dargestellt durch die Worte des gesellschaftskritischen Autors aus Leeds, zum Leben erweckt durch die wahrhaft markante Interpretation von Großmann.
Kleine Gesten
Kleine Gesten, kurzes Umschauen, wenn es um die Nachbarn von Mrs. Ruddock geht, die Stimme den jeweiligen Situationen angepasst. Die Zuschauer fühlen sich versetzt in das triste, altbackene Wohnzimmer einer insolierten, verschlossenen Frau, die, so die Wendung der Geschichte, ins Gefängnis kommt und dort aufblüht. „Was sagt das über ein System aus, in dem ein Mensch sich gefangen freier fühlt?“, nach der Pause wendet sich die Schauspielerin direkt an das Publikum. Erklärt ihre Liebe zum „bissigen Humor“ von Alan Bennett. Eine weitere Kostprobe der schonungslosen Beobachtungsgabe ist „Ein Bett zwischen Linsen“. Hier reißt der Autor die heuchlerische Maske vom Gesicht eines anglikanischen Pfarrers und der Gemeinde, sein „Fanclub“. Seine Frau Susan erzählt, alkoholabhängig, meistens leicht „schicker“ – Großmann lallt, hickst, wälzt sich verbal mit dem indischen Feinkosthändler „Mr. Ramesch“ mit rollendem „R“, im Hinterzimmer seines verstaubten Ladens. Viele Lacher im Raum, bleiben sie auch im Halse stecken? Mancher Zuspruch ließ durchblicken, dass nicht alle die Tiefe von Alan Bennetts Monologen folgen konnten.(Barbara Seppi, Dorstener Zeiung, 3. Oktober 2016)
DORSTEN. Einer lesenden „Tatort-Staatsanwältin“, der Feder eines Greifs, dem neuen Ruhrpott-Schmöker und anderen Abenteuern begegnet man im neuen Baumhaus-Programm für das zweite Halbjahr.
„Der Mann, der das Glück bringt“ – die Lesung mit Catalin Dorian Florescu aus seinem neuen Roman am 5. September (Montag, 19.30 Uhr) ist ein verheißungsvoller Start ins zweite Halbjahr. Zum zweiten Mal hat Buchhändlerin Regina Schwan den gebürtigen Rumänen (Autor von „Zaira“, „Der blinde Masseur“, „Jacob beschließt zu lieben“) nach Dorsten eingeladen. Literaturkritikerin Elke Heidenreich lobt sein neuestes Buch als „Meisterstück“. Karten im Vorverkauf (8 Euro) in der Buchhandlung „schwarz auf weiß“, Freiheitsstraße 3, und an der Abendkasse.
Rund um den Sport dreht sich der heitere Literaturabend „Männer, Tore, Sensationen“, die Manfred Lauffs und Klaus-Dieter Krause am 15. September (Donnerstag, 19.30 Uhr) anlässlich der 1. Dorstener Männertage auf die Baumhausbühne bringen. Frauen sind auch willkommen. Eintritt frei, um vorherige Anmeldung wird gebeten.
Der Blick hinter die Kulissen der Zeitungsmache findet immer wieder großes Interesse. Und so lädt das Baumhaus auch in diesem Halbjahr zur Exkursion nach Dortmund-Dorstfeld zum Gespräch mit Zeitungsmachern und der Besichtigung der Druckerei der Ruhr Nachrichten ein. Am 20. September (Dienstag, 16.30 bis ca. 21.30 Uhr) chauffiert Alt-Bürgermeister Lambert Lütkenhorst die Teilnehmer im Bus hin und wieder zurück. Kosten: 10 Euro, Anmeldung erforderlich.
Am 26. September erscheint die Fortsetzung von Cornelia Funkes Kinderbuch „Drachenreiter“: In „Die Feder eines Greifs“ gibt’s ein Wiedersehen mit dem Waisenjungen Ben und dem Silberdrachen Lung. Am Tag der Neuerscheinung (Montag, 26. September, 17 Uhr) laden die Baumhäusler zu einer ersten Lesung ein, bei der es auch einige Gratis-Exemplare zu gewinnen gibt. Eintritt frei, Anmeldung erforderlich.
Als kettenrauchende Staatsanwältin Wilhelmine Klemm im Tatort Münster hat Mechthild Großmann die Sympathien der Fernseh-Zuschauer auf ihrer Seite, jetzt ist die markante rauchige Stimme auch live in Dorsten zu hören: Am 30. September (Freitag, 19.30 Uhr) liest die Schauspielerin, Tänzerin und Hörspielautorin scharfzüngige Monologe des britischen Satirikers Alan Bennet. Karten (12 Euro) im Kulturbüro, der Stadtinfo und an der Abendkasse (Kooperationsveranstaltung mit Kulturbüro).
Das pralle Alltagsleben und seine Bewältigung stehen diesmal im Mittelpunkt der Lesung Dorstener Autorinnen und Autoren am 4. Oktober (Dienstag, 19.30 Uhr). Klaus Bieder, Martina Jansen, Dörthe Huth, Dirk Kubowicz und Jan Weffers werden aus ihren neuesten Werken lesen. Eintritt: 5 Euro, Karten in der Stadtinfo und Buchhandlung schwarz auf weiß.
Eine Liebeserklärung an die Menschen des Ruhrgebiets ist das Buch „Wie is? – Muss.“, das Hermann Beckfeld und Werner Boschmann jetzt herausgegeben haben. Darin erzählen 31 Autoren authentische „Dumm-gelaufen“-Geschichten, die sie mit „ruhrpöttischem“ Humor weggesteckt haben. Die beiden Herausgeber und einige Autoren des Buches, die selbst ihre Schmunzelgeschichten lesen, garantieren am 25. Oktober, 19.30 Uhr einen vergnüglichen Abend. Eintritt: 5 Euro, Anmeldung erforderlich.
Die drei Musiker von „Liederjan“ gehören schon zu den Stammgästen im Baumhaus. „Immer weiter geht das Spiel“ heißt das neue Programm, das Jörg Ermisch, Hanne Balzer und Philip Omler am 28. Oktober (Freitag, 20 Uhr) mit hintergründigem Humor und zahlreichen Instrumenten zum Besten geben. Karten 18 Euro. Vorverkauf: Stadtinfo, Recklinghäuser Straße 20.
Klassiker aus Jazz und Weltmusik präsentiert das Quartett „Kaleidoskop“, das auf Einladung des Musikvereins Dorsten am 1. November (Dienstag, 20 Uhr) im Baumhaus konzertiert. Ausgehend vom modernen Jazz blicken die vier Musiker in Richtung Ost- und Südosteuropa bis hin zum Nahen Osten. Tickets im Vorverkauf 12 Euro bei der Volksbank Dorsten, Stadtinfo, Abendkasse: 15 Euro
Neues aus der Welt der Literatur erfahren die Besucher des Bücherherbstes am 8. November (Dienstag, 19.30 Uhr). Die Präsentation von lesenswerten Neuerscheinungen wird mit einem Streifzug durch die heitere Literatur gewürzt. Eintritt: 5 Euro, Karten in Stadtinfo und Buchhandlung „schwarz auf weiß“.
Mit der stillen Kunst der Kalligrafie beschäftigt sich der zweitägige Wochenend-Workshop am 12. und 13. November (jeweils 11 bis 14 Uhr). Diplom-Designerin Ragna Bolender lädt Einsteiger und Fortgeschrittene ein, sich eine Welt voller Ruhe zu erschließen. Gebühr: 15 Euro (inklusive Material), Anmeldung erforderlich.
Die Weihnachtslesung des Literarischen Arbeitskreises Dorsten beschließt am 2. Dezember (Freitag, 19.30 Uhr) das Programm. Eintritt frei.
DORSTEN. Sechs Theatergruppen leben zurzeit auf der Baumhaus-Bühne ihre Spielfreude aus. Zwei davon präsentieren im zweiten Halbjahr ihre Premieren:
„Wie die Bremer Stadtmusikanten nach Dorsten kamen“ erfahren die Zuschauer der Premiere, die die neu formierte Marionetten-Theater-Gruppe am 5. November (Samstag, 16 Uhr) aufführt. Unter Leitung von Ulla Voigt-Mackedanz haben die elf- und zwölfjährigen Akteure ihr erstes Bühnenstück selbst entwickelt. Eintritt 5 Euro/Kinder 3 Euro; Kartenreservierung im Baumhaus erforderlich.
Nach Motiven aus dem Buch „Die Geisterjäger“ von Cornelia Funke bereiten sich „Die Zauberzungen“ zurzeit auf ihre gleichnamige Premiere vor. Am 26. November (Samstag, 16 Uhr) wird die Aufführung, die im Rahmen des Projektes „Kulturrucksack NRW“ in Kooperation mit dem Kulturbüro Dorsten einstudiert wird, unter Leitung von Jacqueline Reese und Thea Berendsen über die Baumhaus-Bühne gehen. Eintritt 5 Euro (Kinder 3), Vorverkauf: Kulturbüro und Baumhaus.
Die Premieren der weiteren Theatergruppen werden voraussichtlich im 1. Halbjahr 2017 stattfinden:
Die Integrative Theatergruppe mit Flüchtlings- und deutschen Kindern bereitet ein Sockentheaterstück vor.
„Die Eselsohren“ denken über ein neues Stück nach.
„Die Schatten“ proben zurzeit das Stück „Die Welle“ nach dem gleichnamigen Schullektüreklassiker von Morton Rhue ein.
„Die schwarzen Prinzen“ (Erwachsenentheater) werden Shakespeares Drama „Der Sturm“ als Improvisationstheater aufführen.
Der Geruch der Bücher war unverkennbar, als sich am Freitagabend rund 50 Neugierige in der Stadtbibliothek zum gemeinsamen Hinhören einfanden.
Anlass war der literarische Abend „Zeitlos und unvergessen“, der in Kooperation von Cornelia-Funke-Baumhaus, VHS, Stadtbibliothek und der Musikschule bereits zum vierten Mal in Folge ausgerichtet worden war. Das Thema wie gewohnt: Die Vorstellung bekannter wie brillanter Literaten, die in diesem Jahr eines vereint – ein runder Geburts- oder Todestag.
Auf Höhe der Buchstabenreihe C hingen die Porträts der Jubilare, deren Leben und Werk Bertolt Hanck, Wolfgang Gorniak, Klaus-Dieter Krause, Regina Schwan, Ingo Reich und Anke Klapsing-Reich in kurzweiligen Vorträgen präsentierten. „Eigentlich sollte die Veranstaltung im Lesegarten stattfinden, doch dem unbeständigen Wetter ist leider nicht zu trauen“, begrüßte VHS-Leiter Bernd Sauerwein-Fox das Publikum.
Seinen 100. Geburtstag feierte Roald Dahl, der insbesondere durch seine politische Unkorrektheit und den tiefschwarzen Humor in Erinnerung bleibt. Ingo Reich nahm die Zuhörer dabei mit auf eine Reise in die Vergangenheit des britischen Autors mit norwegischem Migrationshintergrund. „Den meisten sind sicherlich seine Kinderbücher ,Charlie und die Schokoladenfabrik’ und ,Matilda’ bekannt“, fügte er hinzu. Die Titel feierten als internationale Filme Erfolg. Deutlich verrückter ging es beim 100-jährigen Geburtstag der Dada-Bewegung zu, die Bertold Hanck eindrücklich zum Besten gab. Der pensionierte Deutschlehrer stiftete mit der gegen die konventionelle Ordnung gerichtete Anti-Kunst die beabsichtigte Verwirrung, bezog das amüsierte Publikum interaktiv mit ein.
Zwei besondere Damen
„Weiblich“ wurde es mit Regina Schwan, Inhaberin der Buchhandlung „Schwarz auf Weiß“ in Holsterhausen. Sie gratulierte gleich zwei sehr gegensätzlichen Damen zum Geburtstag: Zum einen Charlotte Brontë (200 Jahre), die den Verlust von Mutter und Schwestern zu verkraften hatte und ihre Werke unter einem männlichen Pseudonym veröffentlichte. Zum anderen Madame de Staël (250 Jahre), eine leidenschaftliche Französin, die sich als Gegnerin Napoleons einen Namen machte. Berühmt wurde sie durch die Veröffentlichung zahlreicher Sachbücher („Über Deutschland“) und Romane. Weitere Literaten wie Miguel Cervantes, H.G. Wells oder Jack London füllten den Abend.
Für musikalische Glanzpunkte sorgte Jochen Rudolph am Klavier, der, mit ergänzenden Textbeiträgen unterstützt von Musikschulleiter Eugen Kayser, die beiden Komponisten-Jubilare Erik Satie und André Erneste-Modeste Grétry zum Klingen brachte.
(Anna Knopp, Dorstener Zeitung, 5. 7. 2016)
„Wenn ich einen Hut aufhätte, ich würde ihn jetzt vor Euch ziehen.“ Nach der Premierenaufführung „Der Drache und der Zauberring“ im Cornelia-Funke-Baumhaus am Montagnachmittag lobte Bürgermeisterstellvertreterin Christel Briefs die jungen Akteure des Theaterprojektes für ihre fantastische Leistung.
Vor wenigen Monaten konnte noch keines der albanischen Flüchtlingskinder ein Wort Deutsch sprechen“, bestätigt Margarethe Matschinsky vom Dorstener Integrationsforum (DIF), „und heute präsentieren sie ein Handpuppen-Stück, das sie nicht nur selber entwickelt, sondern auch noch selbst gesprochen haben.“
Tierische Handpuppen
Seit Anfang des Jahres haben die Flüchtlingskinder (8 bis 14 Jahre alt), die aus den Spielgruppen des DIF stammen, jeden Montag in der Woche unter kreativer Anleitung im Baumhaus gewerkelt: Mithilfe der ehemaligen Kunstlehrerin Ulla Voigt-Mackedanz, die auch die Marionetten-Theatergruppe des Baumhauses leitet, Künstler Udo Sewz und der Integrationslotsin Isabel Kiekenbeck entstanden „tierische“ Handpuppen sowie die Kulissen für das Theaterspiel. „Die Fantasie-Geschichte haben sich die Kinder selber ausgedacht“, schrieb Ulla Voigt-Mackedanz jedem Kind den Rollentext zum Vortrag auf.
Aufgeregt? Igli nickt wenige Minuten vor dem Premieren-Beginn vor voll besetztem Baumhaus-Saal mit dem Kopf. Er spricht die unglückliche Ente, die den Zauberring des Drachen gestohlen hat, um damit ihren von Menschenhand unbewohnbar gemachten See zu reinigen. Doch der Drache macht sie zum Gespött der Tiere, indem er einen Flügel ihres Federkleides rosa, den anderen grün verzaubert. Der schlaue Fuchs weiß Rat: Er ruft zu einer Versammlung der Tiere ein und nach einigen Widrigkeiten schaffen es Katze und Maus, Hund und Eule, Schwein und Ziege, Hase und Elefant den Drachen davon zu überzeugen, dass er den Zauber zurücknimmt, denn die Tiere wissen: „Nur gemeinsam sind wir stark!“
Unter aufbrandendem Applaus müssen sich die stolzen Akteure Anduel, Aurel, Dorian, Ergi, Geraldine, Igli und Jana (das jüngste und einzige deutsche Kind der Truppe) mehrmals verbeugen. So, jetzt erst `mal etwas essen auf der Premierenfeier.
Udo Sewz und seine Mitstreiter sind begeistert: „Eine tolle Truppe, wir machen auf alle Fälle weiter.“(Anke Klapsing-Reich, Dorstener Zeitung, 6. 7. 2016)