Königsweg ist noch nicht gefunden Chefredakteur Hermann Beckfeld informierte über den rasanten Wandel in der Medienbranche

zukunft1DORSTEN. Die beiden kontrastierenden Pressefotos setzen gleich zu Beginn des Abends das Thema trefflich ins Bild: Leuchtete 2005 in der dem Papst zujubelnden Menschenmasse nur ein einziges Handy auf, strahlte 2013 schon der gesamte Petersplatz in Rom im Licht der Smartphone-Bildschirme: „Das Leben hat sich zum Digitalen verändert, und mit ihm auch die Medien“, führt Hermann Beckfeld, Chefredakteur im Medienhaus Lensing, in seinen Vortrag ein.

Eine „Busladung“ interessierter Dorstener, die sich auf Einladung der Dorstener Zeitung und des Cornelia-Funke-Baumhauses der exklusiv angebotenen Exkursion „Welche Zukunft haben Zeitungen?“ angeschlossen hatten, hatte Alt-Bürgermeister Lütkenhorst zum Pressehaus der Ruhr Nachrichten im Zentrum Dortmunds chauffiert.

Chefredakteur Hermann Beckfeld nahm die Dorstener Gruppe am Eingang des Medienhauses an der Silberstraße 21 in Empfang. „Sie haben wir doch schon bei der Druckereibesichtigung in Dortmund-Dorstfeld kennengelernt, die viele von uns bereits mitgemacht haben“, freute sich Heike Kringel mit ihrem Freundeskreis über das Wiedersehen, diesmal aber im Pressehaus selbst, wo alle Fäden der journalistischen Arbeit zusammenlaufen.

Vorbei am Relief-Porträt des Zeitungsverlegers Lambert Lensing im Entrée ging´s treppauf ins oberste Stockwerk mit Blick über die Stadt, zum Konferenzraum des LCC, dem Lensing-Carree Conference Center.

„Noch nie hat sich die mediale Welt so rasant gedreht, so schnell gewandelt“, weiß Hermann Beckfeld, der seit vier Jahrzehnten als Journalist in der Branche zu Hause ist. „Vor 25 Jahren haben wir im Wochenend-Journal der Ruhr Nachrichten ein Farbfoto zwei Wochen vor geplanter Veröffentlichung zur Bearbeitung an eine Agentur herausgeben müssen“, heute dauere es kaum 20 Sekunden, um das ausgewählte Bild auf die Zeitungsseite zu stellen.

Schreibmaschinen, Seitenspiegel, Schwarzweiß-Bilder, Dunkelkammern, Boten und Korrektorate sind längst verschwunden. Auch die Zeiten, in denen sich ein Reporter mit Stift und Block und ein Fotograf mit Kamera und Lichtmesser gemeinsam auf Themenpirsch begaben, sind passé: „Heute müssen die Reporter schreiben und fotografieren, filmen und online bedienen“, beschreibt Beckfeld die herausfordernde Vielfalt des Berufsbildes. Die jungen Kollegen würden heutzutage gleichzeitig online und print ausgebildet. Der erste Online-Redakteur beginne kurz nach 6 Uhr in der Früh die „Nachrichtennacht“ aufzuarbeiten, der letzte aktualisiere bis Mitternacht die Nachrichtenlage.

E-Zeitung wird beliebter
zukunft2„Statistisch gesehen zählt der durchschnittliche Zeitungsleser 63,5 Jahre“, berichtet Beckfeld. Die Jugend – mit einer Vorliebe für bewegte Bilder – sei dagegen vornehmlich online unterwegs. 83 Prozent der Internetbenutzter in Deutschland teilen Inhalte im Internet. Immer schneller, immer dichter, immer näher dran – „Wir müssen uns wie jede andere Branche auch auf diese Veränderungen einstellen“, nennt Beckfeld einige Beispiele, mit denen ein modernes Medienhaus dem Wandel Rechnung trägt:

Da ist zum einen die E-Zeitung (Elektronische Zeitung), die immer mehr Anhänger findet, denn sie ist günstiger und „zeitloser“ als die Print-Ausgabe. Auch der „App-Markt“ boome: „Mit unserer Buzz 09-App, die man kostenlos herunterladen kann, sind die BVB-Fans live dabei, leben quasi parallel mit Borussia, sind stets am Ball“, sagt Beckfeld und kündigt an, dass dieser Service demnächst auch als „Buzz 04-App“ für Schalker an den Start geht. Ob sich das Projekt einer Online-Sonntagszeitung – zurzeit in Dortmund im Testlauf – bewähre, werde abzuwarten bleiben.

Das Print-Produkt sei nur eine von vielen Informationsquellen. Auch habe die Entwicklung gezeigt, dass in unseren Städten nur noch eine Zeitung vor Ort wirtschaftlich überlebensfähig sei.

Ein modernes Medienhaus müsse sich heute breit aufstellen, mit zusätzlichen Standbeinen, wie beispielsweise dem alternativen Zustelldienst „Brief und Mehr“. „Wir haben insgesamt 1300 Zusteller, die bis zu neun verschiedene Produkte austragen“, verweist Beckfeld auf unterschiedliche Geschäftsfelder.

Doch trotz aller Entwicklungen, blieben Glaubwürdigkeit und Qualität bei der journalistischen Arbeit das oberste Gebot: „Unsere Stärke ist das Lokale und Regionale, und das müssen wir verantwortungsvoll wahrnehmen“, baut Beckfeld auf das Vertrauen des Lesers.

Die Dorstener Leser nutzten im Anschluss an den Vortrag die Möglichkeit zur angeregten Diskussion: Welche Abo-Möglichkeiten einer E-Zeitung gibt es eigentlich? Kann man mit Online wirklich Geld verdienen? Verschwinden Tablets zugunsten von Smartphones von der Bildfläche? Wie kommt man an die Fußball-App, und kann man auch als Dorstener die Sonntagszeitung für Dortmund abonnieren?

Arbeit im Großraum

Erfreut über das unstillbare Interesse der Dorstener Gäste lud Hermann Beckfeld die Gruppe noch zu einem kleinen Rundgang durch die Redaktionen ein: Im Sport plauderten die BVB-Spezialisten Matthias Dersch und Florian Groeger aus dem Nähkästchen. Uwe Becker hatte in der Westpool-Redaktion das Weltgeschehen im Blick, und der Spätdienstler in der Dortmunder Stadtredaktion beobachtete die Entwicklung der lokalen Nachrichtenlage. „Boah, dass hier überall so viele in einem Großraum zusammensitzen – da geht´s bestimmt ganz schön hektisch zu“, mutmaßte Karl Klomfaß.

Und wie steht´s nun mit der Zukunft der Zeitung? „Sie wird weiter leben, aber sie wird anders gemacht“, sagt Chefredakteur Beckfeld. Man müsse sich den Neuerungen stellen, wie immer das auch im einzelnen aussehen möge, denn: „Der Königsweg ist noch nicht gefunden.“

(Dorstener Zeitung, 14. Mai 2016, Anke Klapsing-Reich)

 

Info: Das Cornelia-Funke-Baum(haus und die Dorstener Zeitung bieten auch zwei Mal im Jahr eine Bus-Exkursion nach Dortmund-Dorstfeld zum Gespräch mit Zeitungsmachern und Besichtigung der Druckerei der Ruhr Nachrichten an. Der nächste Termin wird in der Zeitung und über das Baumhaus bekanntgegeben.