Handpuppen fingerfertig handgemacht Sieben Flüchtlingskinder aus Albanien stellen im Cornelia-Funke-Baumhaus unter Anleitung ein komplettes Figurentheater auf die Beine

DORSTEN. „Ich bin mit meinen fünf Schichten fertig“, kündigt Igli an. „Jetzt muss ich nur noch eine schöne Farbe für das Schwein aussuchen.“ Keine Frage, dass sich der Zehn-Jährige das rosafarbigste Pink wählte, das er finden konnte.

baumhausergi2Ihm gegenüber sitzt Aurel (12) und bastelt einen Elefanten. Neben ihm stellt Ergi (8) gerade die Pfoten für seine schwarze Katze her. Vor ihnen auf dem Tisch stehen Köpfe anderer Tier- und Fabelfiguren: Drachen, Fuchs, Hund, Ente, Maus. Dazu ein Männerkopf mit Halbglatze. „Ludger heißt der“, erzählt Ludger Heyming, „Manager“ des Cornelia-Funke-Baumhaus-Vereins: „Dafür habe ich nämlich Modell gestanden.“

Ortstermin am Montag um 16 Uhr im Vereins-Stelzenhaus an der Halterner Straße. Jede Woche treffen sich hier unter kreativer Anleitung der ehemaligen Kunstlehrerin Ulla Voigt-Mackedanz und des Künstlers Udo Sewz Flüchtlingskinder aus den nahe gelegenen Unterkünften an der Crawleystraße und aus dem Hotel Berken. Sie stellen hier gemeinsam ein ganz besonderes kreatives Projekt als Baumhaus-Premiere auf die Beine: Die Kinder, allesamt im vergangenen Jahr aus Albanien nach Dorsten gekommen, modellieren selbst die Figuren für ein Handpuppentheater, schneidern die Kostüme, bauen die Bühne, malen das bunte Bühnenbild.

Aufführung geplant
„Wir planen noch vor den Sommerferien eine Aufführung“, erzählt Ulla Voigt-Mackedanz, die im Baumhaus ansonsten für die Marionettentheater-Gruppen verantwortlich ist. Erzählt werden soll in Märchenform von den spannenden Erlebnissen einer Tiergruppe, die von einer Busreise durch Dorsten heimgekehrt ist. „Zur Vorbereitung darauf wird Barbara Seppi von der Stadtinfo die Kinder zu einer Stadtrundfahrt einladen“, kündigt Ulla Voigt-Mackedanz an.

Darauf freut sich Aurel ganz besonders. „Dieser Kurs macht Spaß, auch weil ich so nicht die ganze Zeit zu Hause sitzen muss“, erklärt der talentierte Junge in fließendem Deutsch, während er mit geschickten Händen seine Handpuppe fertigt. Aus Plastilin, eine Masse, die nie trocknet und immer weich bleibt, hat er den Elefantenkopf geformt. Den Schädel hat er anschließend mit fünf Schichten aus Zeitungs- und Packpapier sowie Tapetenkleister überzogen.

Wenn der Überzug hart geworden ist, wird ein Teil der Plastilin-Masse mit einem Stahlwerkzeug herausgeholt. „Damit die Finger reinpassen und wir mit den Figuren spielen können“, führt sein Mitbastler Ergi am Beispiel einer Katze vor. Zum Schluss werden die Figuren mit Mattlack angemalt, Augen, Zungen, Borsten und alles, was sonst zu den Tieren an Accessoires gehört, angeklebt.

Besondere Förderung
„Die Kinder kommen aus zwei Spielgruppen, die wir für die Flüchtlinge eingerichtet haben“, erzählt Margarethe Matschinsky, zweite Vorsitzende des Dorstener Integrationsforums. Im vergangenen Sommer hatte Künstler Udo Sewz die Mädchen und Jungen zu seinen Kreativ-Workshops im damaligen Lippe-Polder-Park eingeladen. „Schon damals ist mir aufgefallen, wie konzentriert und begabt einige der Kinder waren“, sagt Udo Sewz. „Deswegen fördere ich sie seitdem noch mal besonders bei den Mittwochs-Kursen in meinem Atelier und bei den Kinderferienspäßen.“

baumhaus-kinder„Nach dem Ende des Lippe-Polder-Parks hat der Cornelia-Funke-Baumhaus-Verein angeboten, sich in der kulturellen Flüchtlingsarbeit mit Kindern zu engagieren“, so Ludger Heyming. „Am Anfang waren 20 Kinder dabei“, erzählt Margarethe Matschinsky. Da sich die Lesen- und Lerngruppe im Laufe der Zeit auflöste, blieb die Puppentheater-Gruppe übrig.

Neben Aurel, Igli und Ergi sind dies Anduel (12), Dorian (14), Ela (5) und Geraldine (10), die sich jeden Montag von 16 bis 17 Uhr im Cornelia-Funke-Baumhaus treffen. „Als Integrations-Projekt würden wir es gerne sehen, wenn noch ein paar deutsche Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren dazu stoßen“, erklären die Organisatoren.

Der zwölfjährige Aurel, der wie die anderen Kursteilnehmer bereits sehr gut Deutsch spricht, hat in der Zwischenzeit den Schrank mit den Marionetten-Puppen geöffnet und lässt eine Figur an den Fäden haltend auf dem Fußboden spazieren gehen.

„Mit seinem Freund Anduel wird er demnächst Mitglied in unserem Marionettentheater-Ensemble“, freut sich Ulla Voigt-Mackedanz über das Engagement des Jungen. Und drückt ihm schon mal das Manuskript des nächsten Stücks in die Hand. „Die Bremer Stadtmusikanten“ heißt es zufälligerweise – auch diese haben im Grimmschen Märchen bekanntlich nicht eben leichtfertig ihre Heimat verlassen.

(Michael Klein, Dorstener Zeitung, 28.4.2016)