Geisterjäger vertreiben Hugo aus dem Schloss Premiere der „Zauberzungen“

Welches Kind hat sich nicht mal davor gefürchtet, allein in den dunklen Keller zu gehen? Da unten spukt’s! Und trotzdem schicken einen die Eltern immer wieder hinunter: Gespenster gibt es nicht.

Oder doch? Also in Toms Keller spukte es definitiv. Nur wollte ihm das erst mal keiner glauben. War ja klar! Alle hielten ihn für verrückt. Seine zickige Schwester wollte ihren kleinen Bruder am liebsten in der Psychiatrie sehen: „Dann können wir aus seinem Zimmer einen begehbaren Kleiderschrank machen“, schlug sie vor. Bei der Premiere des Stückes „Geisterjäger“ der Theatergruppe „Die Zauberzungen“ im Rahmen des Projektes „Kulturrucksack NRW“ am Sonntag im Cornelia-Funke-Baumhaus spukten Geister nicht nur in der Fantasie eines zehnjährigen Jungen umher. Nein, sie waren überraschend wenig transparent und ziemlich real.

Großartig meisterten die jungen Schauspieler ihre Aufgabe, ein Theaterstück ganz ohne festen Text auf die Bühne zu bringen. Eine kleine Anleitung, wohin das Stück führen sollte, gab es zwar schon, der Rest aber war pure Improvisation. So war keine Probe gleich. Entsprechend lustig gestalteten die zehn Jugendlichen ihren Sprechanteil dann auch aus.

Die pubertierende Schwester wurde da schon mal ziemlich frech zu ihrem Bruder, nannte ihn ein „Rotzblag“, als sie abends auf ihn aufpassen sollte, weil die Eltern ausgehen wollten. Tom endete schließlich aber doch allein zu Hause und freundete sich mit dem Geist Hugo an, der in seinem Keller lebte, weil in seinem Schloss ein Eisgespenst hauste. Gemeinsam und mit der Hilfe der ehemaligen Geisterjägerin Frau Kümmelsaft machten sie sich auf, um das Eisgespenst aus Hugos Schloss zu vertreiben.

Kekse aus Friedhofserde
Gut, dass das Eisgespenst gerne Kekse aß. So wurde es mit Keksen, die mit Friedhofserde gebacken waren, in eine für es vernichtende Falle gelockt. Denn Friedhofserde tötet Eisgespenster, wie Frau Kümmelsaft wusste. So hat Tom am Ende seinen Keller zurück, Hugo sein Schloss und die nun wieder erfolgreiche Geisterjägerin ihren Job.

Nach dem Vorbild von Cornelia Funkes Buch brachten die jungen Schauspieler ein witziges Stück auf die Bühne. Vor einem liebevoll gestalteten Bühnenbild konnten sie nun endlich die Arbeit eines Jahres vor Publikum präsentieren. Am Ende feierten sie zum Lied „Ghostbusters“ noch auf der Bühne eine gelungene Premiere. „I am afraid of no ghost!“, heißt es in dem Lied. Am Ende hatte nur noch eine einzige Person Angst vor Geistern. Toms Schwester, die Hugo mit ihrem Bruder vor dem Fernseher sitzen sah. Rache ist eben süß!

(Frederike Jäschke, Dorstener Zeitung 29. 11. 2016)

Wie die Stadtmusikanten nach Dorsten kamen Premiere des Marionettentheater-Stücks

DORSTEN. Die Bremer Stadtmusikanten kennt jedes Kind, doch von den Dorstener Stadtmusikanten haben vermutlich die Wenigsten bisher gehört. Schade eigentlich, denn um genau die geht es im neuesten Theaterstück der Marionettentheatergruppe des Cornelia-Funke-Baumhauses, das am Sonntag uraufgeführt wurde.

Das Stück „Wie die Bremer Stadtmusikanten nach Dorsten kamen“ wurde von den vier Schauspielern der im Januar neugegründeten Gruppe selbst entwickelt, wobei Kursleiterin Ulla Voigt-Mackedanz die jungen Künstler in jeder Hinsicht unterstützte. So entstand nach nur zehn Monaten Ideen sammeln, Üben und Proben das lustige und kindgerechte Werk, das eine neue Generation von Stadtmusikanten auf ihrem Weg nach Bremen ins schöne Dorsten führt. Doch auch als sie schließlich in Dorsten ankommen, sehen sich der hoffnungsvolle Esel, die zickige Katze, der knurrige Wolf und der sehr eitle und schrecklich gutaussehende Hahn so einigen Gefahren ausgesetzt: Schlimmer noch als Hunger, Armut und missglückte Wohnungssuche ist die Bekanntschaft des überheblichen Geiers, der sich krächzend und flügelschlagend über die vier tragischen Helden lustig macht. Doch am Ende wird alles gut, wobei die Pointe so einige Überraschungen bereithält.

Die Marionettenspielgruppe, bestehend aus Jana Lenert, die den Wolf spielte und gleichzeitig erzählend durch das Stück führte, Janine Weffers (Katze), Merle Weffers (Esel) und Lorenz Vienenkötter (Hahn im Korb), überzeugte aber nicht nur mit dem lustigen Theatertext. Auch ihr Können an den Fäden ihrer Marionetten begeisterte das Publikum.

Kleinere Pannen
Bemerkenswert ist auch, dass alle vier neben ihrer jeweiligen Hauptfigur noch mehrere weitere Puppen führten und sprachen. Selbst kleinere Pannen wurden mit einer höchst professionellen Gelassenheit einfach überspielt und auch das Rampenlicht und der tosende Applaus am Ende ihres Auftrittes schien die Vier kaum zu beeindrucken.

Als nächstes wird die Gruppe unter Anleitung von Ulla Voigt-Mackedanz eigene Stabmarionetten bauen und somit zunächst eine Spielpause einlegen. Doch der nächste Auftritt ist schon in Planung. Interessierte Kinder können sich unter Tel. (02362) 66 55 50 beim Cornelia-Funke-Baumhaus melden.

(Lioba Vienenkötter, Dorstener Zeitung 8. November 2016)

Musikalisch von Ast zu Ast geschwungen „Liederjan“ bot im Cornelia-Funke-Baumhaus Kleinkunst vom Feinsten

DORSTEN. Dumm Tüch! Ist es Dumm Tüch? Klassik ist es nicht. Und Schlager schon gar nicht. Folk, Kabarett, Comedy? Vielleicht. Also doch Dumm Tüch („Dummes Zeug“). Aber richtig. Die Rede ist von „Liederjan“, einer Band aus Itzehoe. Mit westfälischen Dehnungs-O. Itzehoe aber liegt in Holstein, in Norddeutschland also, und darauf legt die Band „Liederjan“ wert. Musikalisch habe sie ein eigenes Genre geschaffen, behauptet sie, und das stimmt auch.

Am Freitagabend zeigten sie es den Zuhörern im Cornelia-Funke-Baumhaus so richtig, musikalisch und literarisch. Jörg Ermisch, Hanne Balzer und neuerdings Philip Omler sind Volksmusiker, die Balladen singen, Lieder, Songs, Shantys, dazu Texte, die es in sich haben.

Augenzwinkernd und frech
Alles ein wenig oder sogar sehr augenzwinkernd bis frech. Kleinkunst vom Feinsten ist das. Fast drei Stunden führten sie das vor, und die Zeit verging wie im Fluge, man hätte ruhig noch mehr hören können.

Die Instrumente, auf denen die Musiker spielten, hat niemand gezählt, doch es waren viele, auch solche, die es eigentlich gar nicht gibt. Eine Tuba zum Beispiel, so riesig, dass sie ohne Weiteres in eine bayrische „Umtata-Band“ passt, oder eine Waldzither, eine Kreuzung irgendwelcher anderer Instrumente, ähnlich einer überdimensionierten Ukulele.

„Wir werden uns musikalisch von Ast zu Ast schwingen“, verkündete Philip Omler. Und das taten sie denn auch. Aus ihrem Wilhelm-Busch-Programm spielten sie die Parabel vom Fink und vom Frosch, aber umgeformt zur „Vogelhochzeit“: „Ein Vogel wollte Hochzeit machen, in dem grünen Wahalde. Fiderallala, Fiderallala, Fiderallalalalaaa.“ Überhaupt die Texte. Meisterwerke der Sprache sind es, wie in dem Lied „Locker bleiben“: „Die Schulzeit war zu meiner Zeit ein steter Quell der Heiterkeit.“

Eine solch intelligente Formulierung, so eine geschliffene Lyrik findet man auch in dem Lied „Aus die Maus“: „Die Maus, die Maus, die Maus muss sterben, sterben und verderben.“ Warum? Klar: „Sie tun großen Schaden im Haus, drum muss vertreiben man sie hinaus.“

Dabei fällt der geschliffene Umgang mit der Grammatik auf. Ironie pur, die Spaß macht.

41 Jahre singen sie jetzt schon, und wenn sie nicht gestorben sind, dann singen sie noch weiter.

(Werner Wenig, Dorstener Zeitung vom 31.10.2016)

Hart, aber herzlich: Ruhris erzählen Stolpergeschichten Neues Ruhrpott-Buch vorgestellt

DORSTEN. „Wie is?“ – „Muss.“ Pause, kurzes Nachdenken, dann muss es kommen, und es kommt. „Und selbst?“ Das sind die ersten Zeilen des Buches „Wie is? – Muss. Warum Ruhrgebietler manchmal stolpern, aber niemals hinfallen“, herausgegeben von dem Journalisten und Chefredakteur der Ruhr Nachrichten, Hermann Beckfeld, sowie dem Bottroper Verleger Werner Boschmann (Henselowsky/Boschmann). Am Dienstagabend stellten sie es im Cornelia-Funke-Baumhaus mit einer Lesung der Öffentlichkeit vor. Mit dabei die Redakteurin der Dorstener Zeitung, Anke Klapsing-Reich, und Ex-Redakteur Klaus-D. Krause. Dass dies Teil des Konzepts war, machten die Herausgeber deutlich. „Werner Boschmann sprach Autoren aus dem Buchhandel an, ich versuchte, Journalisten dafür zu gewinnen.“

Die thematische Klammer für alle ist das Motto: „Dumm gelaufen“. 32 Beiträge, Geschichten und Gedichte, sammelten die Herausgeber, mehr oder weniger lustig-humoristische Texte, Dönekes, wie sie das Leben schreibt. Im Ruhrgebiet jedenfalls, denn das implizieren die Herausgeber: „So etwas gibt es nur hier. Hart arbeitende Menschen, Malocher, mit einem weichen Kern gesegnet. Sie haben den Mut, über sich selbst zu schreiben, ob es nun das missratene Krippenspiel ist, der freche Maulwurf Grabowski oder der bestrickende Elch-Pullover in XXXL – immer geht etwas schief und es gibt eine lustige Pointe. „Halbe Sachen kennt der Ruhri nicht“, behauptet Hermann Beckfeld, wenn er schreibt: „Entweder haben wir richtig Heißhunger – oder uns ist schlecht. Das Ungewöhnliche ist für uns gewöhnlich.“ Dabei wird gerne die Sprache bemüht, die kein Dialekt ist, sondern nur eine Sprachfärbung. So sagen es uns zumindest die Wissenschaftler.

Ernster Kern
In Wirklichkeit ist manche Geschichte gar nicht so lustig, sondern es steckt ein ernster Kern darin. So deutet es auch Hermann Beckfeld an, der launig und mit viel Empathie moderierte. Was bei allen Geschichten durchschimmert: Der Ruhri ist gutmütig und warmherzig. Einst aus Westfalen, Rheinländern, Polen, Ostpreußen und Schlesiern gebacken, ist er eine zähe, überlebensfähige Mischung. „Unser Ruhrgebiet hat sich ein mehr als ordentliches neues Gesicht geschminkt“, teilt Werner Boschmann mit. Und Anke Klapsing-Reich bringt es auf den Punkt: „Auch wenn man sich manchmal in den Hintern beißen muss: Aufgeben gilt nicht.“

(Werner Wenig, Dorstener Zeitung 27. Oktober 2017)

Rolle der Staatsanwältin ist Fluch und Segen Mechthild Großmann im VHS-Forum

„Alan Bennett“ – Mechthild Großmann sagt nur zwei Worte zum Auftakt ihrer Lesung im Forum der VHS am Freitagabend. Keine Begrüßung, nur der Name des britischen Schriftstellers, aus dessen unerschöpflichen Fundus sie zwei Monologe vorstellen wird. Zwei Worte, die ihr „Markenzeichen“ ausdrucksvoll unterstreichen: die tiefe sonore Stimme, eine gute Oktave unter der einer durchschnittlichen Frau. Großmann, Jahrgang 1948, ist bekannt, die Veranstaltung restlos ausverkauft, ein Erfolg für die Organisatoren der Stadtbibliothek und dem Cornelia-Funke-Baumhaus. „Tickets für die „Staatsanwältin aus dem Tatort“ wollten viele im Vorfeld erwerben – das ist Großmanns Fluch und Segen. Die großartige Künstlerin, fast 50 Jahre intensives Schaffen auf Theater- und Tanzbühnen im Curriculum, wird vom Großteil des Publikums mit ihrer Nebenrolle im Fernsehen identifiziert. „Da lernt man ein Leben lang Tausende Seiten auswendig und erregt Aufsehen, wenn man sagt: ,Gute Arbeit, Thiel‘“ – Aber es füllt Säle, gibt Mechthild Großmann die Möglichkeit, ihre persönliche Auswahl an Autoren und Themen unter die Menschen zu bringen. Eine bedrückende Geschichte von Einsamkeit und Verbitterung macht den Anfang. „Die Frau mit Füllfederhalter“, das ist Mrs. Ruddock, nicht definiertes Alter, aber klar umrissene Eigenschaften – neugierig, doch empathielos, Pedantin, Besserwisserin – kurz eine Misanthropin durch und durch. Plastisch dargestellt durch die Worte des gesellschaftskritischen Autors aus Leeds, zum Leben erweckt durch die wahrhaft markante Interpretation von Großmann.

Kleine Gesten
Kleine Gesten, kurzes Umschauen, wenn es um die Nachbarn von Mrs. Ruddock geht, die Stimme den jeweiligen Situationen angepasst. Die Zuschauer fühlen sich versetzt in das triste, altbackene Wohnzimmer einer insolierten, verschlossenen Frau, die, so die Wendung der Geschichte, ins Gefängnis kommt und dort aufblüht. „Was sagt das über ein System aus, in dem ein Mensch sich gefangen freier fühlt?“, nach der Pause wendet sich die Schauspielerin direkt an das Publikum. Erklärt ihre Liebe zum „bissigen Humor“ von Alan Bennett. Eine weitere Kostprobe der schonungslosen Beobachtungsgabe ist „Ein Bett zwischen Linsen“. Hier reißt der Autor die heuchlerische Maske vom Gesicht eines anglikanischen Pfarrers und der Gemeinde, sein „Fanclub“. Seine Frau Susan erzählt, alkoholabhängig, meistens leicht „schicker“ – Großmann lallt, hickst, wälzt sich verbal mit dem indischen Feinkosthändler „Mr. Ramesch“ mit rollendem „R“, im Hinterzimmer seines verstaubten Ladens. Viele Lacher im Raum, bleiben sie auch im Halse stecken? Mancher Zuspruch ließ durchblicken, dass nicht alle die Tiefe von Alan Bennetts Monologen folgen konnten.(Barbara Seppi, Dorstener Zeiung, 3. Oktober 2016)

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